Den Menschen nah gekommen
28. Juni 2009 von Gutmann
Film über das Hüsselhuus -Pflegeschülerinnen erleben Demenzerkrankte
Himmelpforten – Ein letzter Dreh aus der Distanz: Das Kamerateam um Filmemacherin Claudia Dejá dreht vom fernen Balkon aus die Menschen aus dem „Hüsselhuus“, die im Garten Kaffee trinken. Vielleicht wird dies die letzte Szene ihres 20-minütigen Beitrags, in dem sie den Frauen und Männern in der Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz in Himmelpforten ganz nah gekommen ist.
Freiberuflerin Claudia Dejá liebt anspruchsvolle soziale Themen, begleitet Menschen in Krisen und Herausforderungen. Gerade lief im WDR in der Serie „Menschen hautnah“ ihr Beitrag über Singles („Mann sucht Frau“). Die Hamburgerin hatte schon einmal für eine NDR-Produktion im Hüsselhuus gedreht. Ein erneuter Kontakt kam jetzt zustande, als der Verein „Herbstzeitlose“ mit seiner Idee eines Dokumentarfilms über die von ihm initiierte Wohngemeinschaft vom Lokalen Spendenprogramm der Dow profitierte.
10.000 Euro bewilligte das Chemie-Unternehmen für die Erstellung eines Films, der viele erreichen soll: Die breite Öffentlichkeit ebenso wie Schulklassen, junge Menschen, die sich beruflich (in Richtung Pflege) orientieren wollen, Familien mit einem Demenz-Kranken oder Alzheimer-Selbsthilfegruppen, auch Bildungsträger und Verbände, die sich diesem sensiblen Thema stellen wollen.
Die Hauptrolle im Film spielen die beiden jungen Frauen Eugenia König und Giselle Hientzsch, die an den Berufsbildenden Schulen III in Stade gerade ihre staatliche Prüfung zur Sozialassistentin (Schwerpunkt Familienpflege) bestanden haben und das Praktikum im Hüsselhuus absolvierten.
Als „junge Frauen mit Herz, die erspüren, was das Gegenüber braucht“, erlebte Dejá ihre Protagonistinnen. Auch im Hüsselhuus hat man genau registriert, wie sich die Persönlichkeiten der 20-Jährigen von Tag zu Tag stärker entfalten konnten. Am Ende der Dreharbeiten diese Woche herrscht bei allen Beteiligten eitel Sonnenschein – wettertechnisch ebenso wie stimmungsmäßig.
„Es ist wunderbar zu sehen, was aus einer Vision werden kann“, sagt Regina Fleck, Vorsitzende des Vereins „Herbstzeitlose“, die die Dow mit ihrem nachhaltigen Film-Konzept überzeugt hatte. Mit dem Beitrag, der voraussichtlich im August fertiggestellt wird, bekommt die vom Verein initiierte private Wohngemeinschaft einen größeren Bekanntheitsgrad. Mutmach-Beispiel für innovative Wohnformen soll das Hüsselhuus sein.
Das Geschehen in der 2003 begründeten WG wird weitgehend von den Angehörigen bestimmt und auch mitgetragen. Zurzeit leben fünf Frauen und drei Männer im großen Anwesen an der Straße Forth. Angehörige und Mitarbeiterin Ute Schrieber hat gerade ihren Vater verloren, der die letzten Lebensjahre im Hüsselhuus verbrachte. Kraft und Halt schöpfte sie auch in dieser Situation von der innigen Gemeinschaft. „Es ist ein besonderer Ort, mit ganz viel Ruhe und Fröhlichkeit“, beschreibt sie ihre Wirkungsstätte. Schrieber gehört wie Anja Päper und Uschi Hilbert zu den drei Kräften, die den Alltag organisieren. Für Fachlichkeit sorgen Ärzte und Pflegedienste, die ins Haus kommen. Familien stellen zudem hauswirtschaftliche Kräfte ein, die gemeinsam mit dem Team, Praktikanten und Angehörigen den Tagesablauf strukturieren. „Selbstbestimmung steht bei uns an erster Stelle“, sagt Fleck. „Wir sind ein Beispiel, wie es funktionieren kann.“
Lesen Sie auf der Jugendseite Joker in dieser Ausgabe einen weiteren Beitrag über die Dreharbeiten in den Berufsbildenden Schulen.
© Stader Tageblatt – Nachdruck eines Artikels vom 27.06.2009 im Stader Tageblatt mit freundlicher Genehmigung.